Die große Sehnsucht unserer Zeit

Darin besteht die große Sehnsucht unserer Zeit: Eindringen in die höchste Kontemplation und mit allen Menschen verbunden bleiben, Mensch unter Menschen. Ich würde noch mehr sagen: eintauchen in die Menge und ihr das göttliche Leben schenken, wie der Wein ein Stück Brot tränkt. Eindringen in die Pläne Gottes für die Menschheit, inmitten der Menge sein Licht verbreiten und zugleich mit dem Nächsten seine Mühsal, den Hunger, die Schicksalsschläge und die kleinen Freuden teilen. Denn wie alle Zeiten sehnt sich auch unsere Epoche nach dem Menschlichsten und Göttlichsten, was man sich denken kann: nach Jesus und Maria – das Wort Gottes, Sohn eines Zimmermanns; der Sitz der Weisheit, eine Hausfrau. Chiara Lubich

Die Vorstellung vom Weihnachtsfest verbindet sich für uns zumeist mit der Szene der Heiligen Nacht: Maria und Josef mit dem Jesuskind, das in einem Stall in Bethlehem geboren wurde. Dazu gesellen sich die Hirten, denen die Botschaft von der Geburt des Retters durch die Engel gebracht wurde (Lk 2, 1-20). Schließlich folgen noch die Weisen aus dem Morgenland dem Stern bis zur Krippe in Bethlehem, um dem neugeborenen König zu huldigen (Mt 2, 1-11). Das Johannesevangelium fasst die Botschaft von Weihnachten ziemlich theologisch: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gezeltet.“ (Joh 1, 14) Kann das eigentlich gehen? Das ewige Wort des Vaters, in einem Menschen, nämlich Jesus von Nazareth, für uns endliche Menschen gesagt? Das ist wohl gerade das Geheimnis des Weihnachtsfestes: Dieses Paradox, dass Gott in einem Menschen erscheint. Seither ist die Welt Gottes nicht mehr getrennt von der Welt der Menschen. Seither ist Gott nicht mehr fern, sondern unter uns Menschen zu finden, und anders gesagt: Seither ist Gott nicht mehr am Menschen vorbei zu finden. Gott und Mensch haben sich verbunden. In höchster Weise ist der Mensch Jesus von Nazareth mit Gott verbunden, und auch jeder Mensch kann Gottes Leben in sich haben und darin Jesus nachfolgen. Die Zeilen der italienischen Theologin Chiara Lubich (1920 – 2008) sprechen von der Sehnsucht, das Leben Gottes und zugleich das Leben der Menschen zu teilen, Mensch unter Menschen. Gott und Mensch, das ist kein Widerspruch, sondern hat sich in Jesus Christus für uns verbunden. Und auch heute f inden wir Gottes Spuren, wenn wir uns den Menschen zuwenden, die uns brauchen, die in Not sind, oder auf ein gutes Wort von uns warten. Die Liebe ist der Ort Gottes: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen….“ (siehe Mt 25, 35 ff). Zum Weihnachtsfest wünsche ich Ihnen diese Entdeckung: Gott zu finden in der konkreten Liebe im alltäglichen Leben mit den Menschen.

Frohe und gesegnete Weihnachten und ein gesundes neues Jahr wünscht Ihnen, auch im Namen des Pastoralteams, Ihr Pastor Heinrich Oest